Donnerstag, 18. Oktober 2007

Danke, Sojus!

Gestern Abend war ich wieder in meinem Kino. Mein Kino, weil ich seit über zwei Jahren jede Woche mindestens ein Mal dort gewesen bin, insgesamt 138 Kinokarten an meiner Tür zeugen davon. Weil ich in diesem Kino mit hunderten anderen Schulanfängern den Beginn des ersten Schuljahres feiern durfte. Und weil es das älteste Kino von Marzahn mit gut 20 Jahren auf dem Buckel ist - der große Saal 1 ist fast original erhalten mit der hohen geriffelten Decke, dem Baustil der DDR, den samtig roten Sitzen und den engen Sitzreihen, so dass man nicht bequem im Sitz versinken kann, ohne mit schmerzenden Knien die Vorstellung zu verlassen.

Aber gestern war dann das letzte Mal Kinodienstag. Ein allerletztes Mal für 99 Cent. Und heute am Mittwoch das letzte Mal überhaupt im Leben dieses Kinos. Einer Ankündigung zufolge sollte das Sojus erst zum Jahresende für immer schließen, doch ganz überraschend fiel der Termin nun schon auf den 17. Oktober. Der Inhaber des Gebäudes möchte dieses nicht mehr als Kino nutzen lassen und hat dem Kinobetreiber kurzfristig den Pachtvertrag gekündigt. Kursierenden Gerüchten zufolge soll es möglicherweise einem Einkaufskomplex weichen. Weil wir armen Bürger von Marzahn sonst keine Einkaufmöglichkeiten besitzen. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Kinogebäude als solches wenigstens erhalten bleibt. Denn die Architektur von außen erinnert auch ein klein wenig an den Palast der Republik, der nur noch aus einem klapprigen Stahlgerüst besteht und in wenigen Monaten von der Spree gewichen sein wird.

Ein wenig Wehmütig bin ich den bekannten Weg gegangen. Traurig. Denn wo soll ich jetzt immer den Dienstag Abend verbringen? Das komplette Personal vom Kino kannte ich. Und nicht nur die. Es gab durchaus weitere Stammgäste, die, wenn man auch nicht mit ihnen geredet hat, einfach zum Sojus dazu gehörten. Wie eine Familie.
Gestern entschied ich mich dann für Kino 2. Einem kleineren, gemütlichen Saal auf westlichem Standard mit Kuschelsitzen. Dort lief der Film "Prinzessinnenbad". Ich kannte ihn schon aus dem Freilichtkino Kreuzberg. Aber da er so amüsant war, gut genug, um ihn ein zweites Mal zu sehen. Im guten Mittelfeld, wo Akustik und Blick auf die Leinwand am besten sind, fand ich noch einen geeigneten Platz. Rasch füllte sich der Saal und ehe man sich versah, waren nur noch vereinzelte Plätzchen übrig geblieben. Aber auch diese wurden noch besetzt, so dass man sogar Stühle aus dem Vorraum in die erste Reihe stellte, um dem Ansturm, dem Abschied mit vollem Haus, gerecht zu werden.
Links neben mir war ein Platz frei. Rechts von mir saß ein älterer Herr allein auf einem doppelten Kuschelsitz, also ein Sitz ohne trennende Zwischenlehne. Und es kommen musste, kamen zwei Mädels darauf zugesteuert, und fragten mich, ob ich weiterrutschen könne, damit sie zusammensitzen könnten. Ich hätte nein sagen können [sollen?], um somit genau zwischen den beiden zu sitzen... Aber wie es manchmal so ist, kann man hübschen Mädels kaum einen Wunsch abschlagen. Also rutschte ich herüber zu dem Herren, blieb aber möglichst weit an der linken Lehne. Zum Dank bot mir die eine etwas Süßes an. Ich verneinte nicht, lehnte mich entspannt zurück und kaute zufrieden auf dem Schaumgummi.

Kurz vor dem Filmstart kam die Betreiberin des Kinos herein und teilte noch einmal allen mit, dass das Sojus nun leider schließen müsse. Sie bedauerte es ebenfalls sehr, war sie doch grad vor einem Tag aus dem Urlaub zurückgekehrt und hatte selbst erst erfahren, dass das Sojus vorschnell vor Ablauf des Jahres geschlossen werden müsse. Sie bedankte sich bei allen Besuchern, erwähnte, dass es zum Abschied Eis zum halben Preis gäbe, und dass sie für den allerletzten Tag, den Mittwoch, einige Zusatzvorstellungen anberaumt hätte. Shrek 3 für 1,99.
Währenddessen lehnte die Filmvorführerin aus dem gläsernen Fenster vor dem Projektor und wartete endlich auf das Zeichen, um den Film abspielen zu dürfen.

Das Haus war rappelvoll. Trotz herbstlicher Kälte und abgestellter Heizungen war es so heiß im Saal, dass man kaum Atmen konnte. Und es wurde ein verdammt schöner, gemeinschaftlicher Abschlussabend. Mit einem kuriosen Film. Einer wehmütigen Umrundung des Gebäudes nach Vorstellung. Ein verlassener Blick. Eine Berührung der Wände. Blick zu den Sternen. Leuchtreklame längst erloschen. Ein Abschied. Mein Heimweg.

Eine kleine Auswahl der besten Filme, die ich dort sah:

  • Perlenstickerinnen
  • Garden State
  • Die fetten Jahre sind vorbei
  • Charlie und die Schokoladenfabrik
  • Barfuß
  • wenn Träume fliegen
  • Dark Water
  • Wächter der Nacht
  • Das Meer in mir
  • Der Fischer und seine Frau
  • Duft von Lavendel
  • Elizabethtown
  • Stolz und Vorurteil
  • Sommer vorm Balkon
  • Geisha
  • Wie im Himmel
  • Kill Bill
  • Urlaub vom Leben
  • Elementarteilchen
  • Mord im Pfarrhaus
  • Haus am See
  • Emmas Glück
  • Tagebuch eines Skandals
  • Klang der Stille
  • Little Children
  • Full Metal Village
  • Prinzessinnenbad

DANKE, SOJUS! Danke.

Herbstlich(t).

Herbstlicht

Direkt vor meinem Fenster zeigt der Herbst sein Angesicht in verschiedensten Gelb- und Rottönen, angemalt vom Licht der Sonne. Der Wind bläst dazu ein gehöriges Raschelkonzert. Und mit ein wenig Glück, läßt sich ein Grünspecht erspähen, wie er am Fuße des Baumes im Gras nach Futter sucht...

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krass. junge. glückwunsch.
krass. junge. glückwunsch.
meliterature - 24. Sep, 19:45
Na klar, immer alles...
Na klar, immer alles meins. ;-) Ich schau mal bei dir...
pinolino - 14. Sep, 14:34
deins? hmm. lange nicht...
deins? hmm. lange nicht mehr mit gedichten beschäftigt....
meliterature - 14. Sep, 08:47

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An meine Liebe
Buch: "An meine Liebe"


Gedicht: "Vogel von der Trauerweide"


Kurzgeschichte: "Jugendliebe"

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